Kennen Sie den Polter-Blues und wenn ja, was haben Sie aus diesem gelernt?

Date:          01.04.2019

To:              Sorpresa

From:         Aladina im Wunderland

Subject:      Polter-Blues

Stille

Liebe Sorpresa

Hattest Du bereits einmal in Deinem Leben das fragliche Vergnügen, an einem Ort zu wohnen und/oder zu arbeiten, an dem unter, neben oder über Dir die Polter-Post abgeht? Ich hoffe für Dich, dass nicht.

Diese nicht wirklich prickelnde Erfahrung wird mir gerade querbeet zuteil und lehrt mich, Stille in mir zu finden.

In meinem Geschäft wird Tür-an-Tür renoviert, gewerkelt und gepinselt – ich habe im wahrsten Sinn der Worte die Nase voll davon. Das ist mässig angenehm, weil meine Synapsen sich ständig mit grossem Engagement an die beachtliche Geräusch- und Geruchkulisse heften und meine Hirnzellen sich davon bestens lähmen lassen. Will heissen, dass es mir ganz schön schwer fällt, sinnvoll zu denken und damit effizient und zielorientiert zu arbeiten. Das Hilfreichste daran ist, dass der Umbau „nächste Woche“ fertig sein wird. Welche „nächste Woche“ damit gemeint ist, bleibt bis heute unklar. Vorerst ist es einfach „nächste Woche“.

In einer solchen Situation ist es äusserst hilfreich, seine eigene Vorgesetzte zu sein, seine Termine eigenhändig steuern zu können und bei Bedarf das Feld zu räumen und ins Home-Office überzusiedeln.

Gedacht, getan.

Nur wird im Home-Office meines neuen Heims mein Denken und Tun gerne lautstark von oben zertrampelt. Es hatte durchaus was Schönes, in ein neu saniertes Haus zu ziehen. Eine klitzekleine Sache habe ich dabei jedoch übersehen. Bei der Besichtigung war das Haus ein stiller Traum, da noch keine Wohneinheiten belegt waren. Spätestens als eine Wohngemeinschaft über mir eingezogen war – was ich vorab nicht wusste, sonst wäre es nicht mein neues Heim geworden – war es vorbei mit dem stillen Zauber. Nicht, dass Du jetzt denkst, über mir würde eine wilde Party-WG wohnen. Ganz und gar nicht. Es sind „nur“ drei fleissige Studentinnen, die jedoch im Grundsatz ihres Seins in Eile sind und offenbar zu allen erdenklichen Tag- und Nachtzeiten besser denken und lernen können, wenn sie hochaktiv durch die Wohnung marschieren.

Da ich vorerst keine Lust habe, neue Geschäftsräume zu finden oder erneut umzuziehen, pflege ich nun eine innige Affäre mit Ohropax. Vielleicht flüstert mir das stetige Rauschen meines eigenen Blutes irgendwann, wohin mich meine nächsten Schritte führen werden.

Polternde Grüsse
Aladina im Wunderland